Das Buch erregt die Gemüter in Polen, schon seit Wochen, lange bevor es erschienen ist. Nun ist Zlote Zniwa (Goldene Ernte) des polnisch-amerikanischen Historikers Jan Tomasz Gross im Handel.
Jan Tomasz Gross kommt in diesem Buch zu dem Schluss, dass sich ein nicht unerheblicher Teil der polnischen Gesellschaft während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg an der Verfolgung und Vernichtung der Juden bereichert hat. So hätten sich nicht wenig Polen einfach den Besitz ihrer deportierten und später ermordeten jüdischen Nachbarn unter den Nagel gerissen, andere hätten nur gegen Bezahlung geholfen und Juden versteckt, nicht wenige Polen hätten immer wieder Geld erpresst mit dem Hinweis, man könne die Juden ja auch an die Nazis ausliefern.
Ein Aufschrei ging durch das Land, denn viele Polen, die geholfen haben, fühlten sich pauschal diffamiert, andere warfen Gross vor, er stelle die Polen einseitig als Antisemiten dar. Es gab auch andere Stimmem, wie Bartosz Kwiecinski vom Zentrum für Holocaustforschung der Jagiellonen-Universität, der Gross und dessen Thesen verteidigte, denn das Buch konzentriet sich nach Meinung des Historikers nicht auf Polen allein. Er sieht es eher als eine gesamteuropäische Geschichjte des moralischen Verfalls, den die Brutalisierung der Gesellschaften durch Krieg und Holocaust europaweit mit sich gebracht habe. Gross bringe in Zlote Zniwa durchaus auch Beispiele aus anderen Ländern wie Holland und Frankreich.
Zlote Zniwa ist nicht das erste Buch von Jan Tomasz Gross, das in Polen zu lebhaften Debatten geführt hat und zu Aufschreien der Entrüstung. Als im Jahr 200 sein Buch Sasiedzi (Nachbarn) erschien, kam damit erst die gesellschaftliche Debatte um polnische Mittäterschaften beim Holocaust in Gang, die letztlich zum schrittweisen Abschied vom polnischen Eigenbild des über die ganze Geschichte währenden Status eines reinen Opferlandes eführte. In Sasiedzi beschrieb Jan Tomasz Gross die Geschehnisse im polnischen Dorf Jedwabne, dessen jüdische Bewohner von ihren polnischen Nachbarn ermordet wurden.
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