Polen: Kritik am ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“

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Kompanie "Wiklina" der polnischen Untergrundarmee Armia Krajowa, Foto: Wikimedia Commons, Ryszard Kaczoruk

Der in weiten publizistischen Kreisen Deutschlands hochgelobte Dreiteiler von Nico Hofmann schildert das Leben von der 20-jährigen im Krieg vom Jahr 1941 an. Keine Frage, das Unterfangen an sich ist löblich. Was sich daran aber von Beginn an als problematisch zeigt, ist die Aussage in den Protagonisten fünf prototypische Figuren dieser Altersgruppe in Zeiten des Drittenreiches, des Krieges und des Holocausts zu schaffen. Das ist ein Anspruch, dem man so kaum gerecht werden kann.

Es beginnt schon mit der Ausgangssituation. Es fehlt eine klare altersmäßige Staffelung, um die Haltung, Denkweise und weltanschauliche Durchdringung verschiedener Altersgruppen erkennen zu können. Die um 1918-20 Geborenen waren noch ohne die totale Vereinnahmung und Beeinflussung vom ersten Schuljahr an und weiter über Jungvolk, Hitlerjugend, Reichsarbeitsdienst, Militär groß geworden, Das Gros dieser jungen Menschen waren dabei durchaus Regimeanhänger und keineswegs in großer Zahl dem Nazistaat indifferent bis kritisch gegenüber stehend. Die später Geborenen waren der nationalsozialistischen Erziehung völlig ausgesetzt.

Diese Jahrgänge gingen gläubig den Nationalsozialismus wie eine Religion in sich aufsaugend in den Krieg. Die Jüngsten von ihnen waren die späteren fanatischen Hitlerjungen, die buchstäblich bis zum letzen Blutstropfen kämpften und von den Älteren, die am Ende 1945 völlig desillusioniert waren und nur noch überleben wollten, gefürchtet wurden.

Dazu fehlt im Film die Ebene der 30 bis 40-jährigen, die Befehlsgeber für die Jüngeren, die vielen Systemprofiteure und die eifrig am System Mitarbeitenden dieser Altersgruppe. Insoweit ist also die Lebenswelt der jungen Menschen zu Beginn des Filmes zu wenig ausgearbeitet und die Figuren sind etwas klischeehaft so, wie man seine Eltern und Großeltern lieber sehen würde. Tatsächlich aber waren sie die Generation der Gläubigen in einem Weltanschauungskrieg, zu jener Zeit – 1941 – als der Film begann, zogen sie nicht etwa zweifelnd und unwillig, sondern von der nationalsozialistischen Weltanschauung durchdrungen ins Feld. So in etwa jedenfalls hätten Figuren ausgesehen, die dem Anspruch „prototypmäßig“ genügt hätten.

In Polen ging ein Aufschrei durch die Medien vom Fernsehen bis zur Presse. Dort wird dieser Film sehr kontrovers diskutiert und teils scharf kritisiert. Man klagt dort darüber, dass Polen, der Polenfeldzug, die Aufteilung Polens, die Ermordung der polnischen Intelligenz, die Vertreibung vieler Polen, die Ermordung vieler polnischer Juden genauso wenig vorkommt, wie die Feldzüge gegen Norwegen und Frankreich oder die Besetzung Dänemarks, der Afrika- oder der Balkanfeldzug. Das sei typisch schreibt die Gazeta Wyborcza, Polen existiere einfach nicht. Natürlich hat jeder Filmemacher das Recht, seinen Film dort zu beginnen wo er will, doch wenn man den Anspruch hat, das Leben einer ganzen Generation exemplarisch darzustellen, wären ein paar Kunstgriffe wohl möglich gewesen, die diesen Weg bis hinein in den totalen Vernichtungskrieg gegen Juden, Slawen, alle Andersdenkenden und um „Lebensraum im Osten“ hätten darstellen helfen.

Was der Film dann leistet, ist eine schonungslose Darstellung des Wesens dieses Vernichtungs- und Weltanschauungskriegs, wie sie bisher in Deutschland und von deutschen Filmemachern nicht gezeigt wurde und das ist anerkennenswert. Über den Rest gehen auch die Urteile deutsche Historiker über den Dreiteiler auseinander.

Doch dabei passieren Fehler, die auch in dem Ansatz des Filmes begründet sind, exemplarisch sein zu wollen. Man kann die polnische Untergrundarmee Armia Krajowa (Heimatarmee) nicht so darstellen, wie in diesem Film geschehen. Sie wird die AK als eine Bande von mit den Nazis kollaborierenden Antisemiten und tumber, nationalistischen Bauern dargestellt, welche die Sowjets hassten, wie die Pest. Es fehlt wieder die Vorgeschichte, die Aufteilung Polens zwischen Hitler und Stalin, der Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen hätte das erklärt, denn antikommunistisch heißt nicht automatisch rechtsradikal. Dazu war die AK keine Bande von wild marodierenden Bauern, sondern eher wie eine Partisanenarmee gut organisiert.

Es ist historisch schlicht falsch, die AK als eine antisemitische Mörderbande darzustellen. Es gab auch Antisemiten bei der AK-Partisaneneinheiten, das ist unter Polens Historikern längst unstrittig. Doch ist kein Fall bekannt, in dem eine AK-Einheit sich in irgendeiner Weise am Holocaust beteiligt hätte. Schließlich war es der AK-Offizier Jan Karski, der als Kurier die Alliierten und damit die Weltöffentlichkeit über den Holocaust informierte. Sorgfältigere Recherche hätte das leicht herausfinden können. In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass es Tausende von Polen gab, die wegen ihrer Hilfe für Juden hingerichtet wurden, meist wurde gleich die ganze Familie ermordet. Unter allen Nationen, die in Yad Vashem, der Holocaustgedenkstätte in Israel geehrt werden als „Gerechter unter den Völkern“, die Juden im Holocaust geholfen haben, war jeder Vierte ein Pole, keine Nation sonst stellt so viele Helfer.

Die polnische Botschaft in Berlin hat in diesem Zusammenhang das Zitat der Bild-Zeitung über die AK

Die Heimatarmee, deren Einheiten wie Partisanen-Verbände operierten, bestand aus polnischen Nationalisten. Der Antisemitismus in ihren Reihen war extrem verbreitet. Überhaupt war der Antisemitismus in Osteuropa stark verbreitet, was den Nazis die Ermordung der europäischen Juden erleichterte.

mit einem Leserbrief richtig gestellt, der von der Bild-Zeitung auszugsweise abgedruckt wurde..

Wenn man dies berücksichtigt und diese Schwächen des 14-Millionen-Epos beim Betrachten stets im Auge behält, zeigt dieser Film eines doch ansonsten immerhin schonungslos: wie die Generation unser Mütter und Väter wurde, was sie ist, traumatisiert. Und er zeigt auch in Ansätzen auf, warum es dieses oft Jahrzehnte währende Schweigen in vielen Familien gab. Exemplarisch ist der Film dort, wo er oft fast beiläufig aufzeigt, wie man das als Mitglied dieser Generation kaum durchleben konnte, ohne selbst Nazi und mitschuldig zu werden. Nicht umsonst ist es das Wesen jeder Gewaltherrschaft möglichst schnell möglichst viele Menschen zu Duldern und Mittätern zu machen. Das Ende mit dem versöhnlichen Idyll der drei Überlebenden in der zerstörten Berliner Kneipe kommt dann allzu süßlich daher.

Die große Schwäche des Films aber bleibt: Unter den jungen Protagonisten gab es keine Nazis, folglich können sie aber auch nicht als prototypisch für ihre Generation gelten. Im ganzen Film kommt mit dem SS-Sturmbannführer Dorn nur ein einziger wirklicher Nazi vor. Insofern tappt der Film dann doch in die bequeme Falle: Die Nazis aren anderswo, nur nicht mitten unter uns.

 

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Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".