Bei den polnischen Kommunalwahlen werden die Parlamente der 16 Woiwodschaften, die Kreistage der 379 Landkreise sowie die rund 47.000 Gemeinderäte der Gemeindeparlamente von 2478 Gemeinden zum fünften Mal nach der Wende von 1989 gewählt. Dabei werden die rund 2.500 Gemeindebürgermeister und Stadtpräsidenten direkt gewählt.
Die Umfrageinstitute vor den am Sonntag, den 21. November in Polen stattfindenden Kommunalwahlen sind sich einig wie selten: Die Partei Recht und Gerechtigkeit PiS des nationalkonservativen Jaroslaw Kaczynski steht vor einer derben Niederlage und einer harten Zerreißprobe.
Laut der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts PBS DGA für die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza wird die PiS nur eine der größeren Städte, nämlich Radom gewinnen, die liberalkonservative Bürgerplattform PO von Ministerpräsident Donald Tusk hingegen wird wohl 20 der 23 größeren Städte für sich gewinnen können, die beiden übrigen Großstädte Gdynia und Rzeszow dürften von parteilosen Kandidaten gewonnen werden.
Damit würde die PiS gegenüber den Kommunalwahlen von 2006 in den zehn größten Städten des Landes fast die Hälfte der Wähler verlieren, so in Warschau von 29 auf 15%, in Krakau von 28 auf 15% und in Danzig von 28 auf 14%. Die Umfrageergebnisse, die sich mit der landesweiten Politik und den Parteiführern befassen, sehen sogar noch verheerender Ergebnisse für die PiS, dort führt Regierungschef Donald Tusk PO mit satten 20 Prozent Vorsprung auf seinen Intimfeind Kaczynski.
Es gibt Gründe für das sich anbahnende Debakel der PiS. Lag Jaroslaw Kaczynski bei der Präsidentenwahl dieses Jahres noch fast Kopf an Kopf mit seinem PO-Rivalen Bronislaw Komorowski bei rund 47% der Stimmen, hat er seine damalige versöhnliche Linie mit konstruktiven Ansätzen völlig verlassen, ist er heute mehr denn je unversöhnlicher Hardliner und ausschließlich auf Konfrontationskurs. Es begann mit dem verweigerten Handschlag für den Sieger Komorowski und führte über den Boykott der Vereidigung sowie den unsäglichen Streit um das Holzkreuz vor dem Präsidentenpalast wie durch einen Tunnel direkt in die politische Sackgasse. Dort findet sich die PiS heute als Partei wieder, deren Credo Rache für Lech Kaczynskis Tod zu sein scheint. So nannte das renommierte katholisch-intellektuelle Wochenblatt „Tygodnik Powszechny“ Jaroslaw Kaczynski den „Guru einer Sekte von Rächern“, der jede Zusammenarbeit mit der Regierung ablehnt, Polen unter Tusk als eine deutsch-russische Kolonie sieht und ausschließlich auf die Erfüllung eines imaginären Testaments von Lech Kaczynski fixiert ist. Ein kommunalpolitisches Konzept der Partei war dabei für den Bürger nicht erkennbar.
Das führte zum Murren führender PiS-Politiker, die im Block als eine neue, pragmatische jüngere Garde mit anderen Denkmustern nach der Katastrophe von Smolensk in wichtige Parteipositionen gewählt wurden. Doch Jaroslaw Kaczynski duldet keine abweichenden Meinungen oder gar thematische Diskussionen in „seiner“ Partei. Vor einer Woche schloss er seine frühere Wahlkampfmanagerin Joanna Kluzik-Rostkowska aus der PiS aus, als sie seine Taktik als falsch und in eine Sackgasse führend bezeichnete. Ex-Sportministerin Elzbieta Jakubiak wurde gleich mit ausgeschlossen, das parteilose Fraktionsmitglied Oldakowski ging freiwillig. Dies aber könnte sich als fatal erweisen, scheint sich doch ein Erosionsprozess in Gang gesetzt zu haben, der die PiS spalten könnte.
Die geschasste Joanna Kluzik-Rstkowska zögerte nicht lange und verkündete bereits am 15. November die Gründung der Bewegung „Polen ist am wichtigsten / Polska Jest Najwazniejsza“. Zu den Mitgliedern der neuen Bewegung gehören unter anderen die Europaabgeordneten Adam Bielan, Michal Kaminski, Pawel Kowal und Marek Migalski sowie die Sejm-Abgeordneten Elzbieta Jakubiak, Pawel Poncyljusz, Jan Oldakowski, Tomasz Dudzinski, Lena Cichocka-Dabkowska, Jacek Pilch, Jan Filip Libicki und Jacek Tomczak. Wie die polnische Nacvhrichtenagentur PAP berichtet, bekundeten weitere Abgeordnete der PiS wie Tomasz Gorski, Andrzej Walkowiak, Adam Gaweda und Zdys?aw Owczarski Interesse an der Mitarbeit.
PiS-light nennt die Gazeta Wyborcza die im Entstehen begriffene neue Partei, die vor allem die national-katholischen Wähler ansprechen will. Sollte die PiS tatsächlich so schlecht bei den Kommunalwahlen abschneiden wie prognostiziert – bisher war das tatsächliche Ergebnis immer besser als die Prognosen – könnte der große Unfriede in der PiS ausbrechen und die Zahl der Überläufer im nächsten Jahr steigen, denn es stehen Parlamentswahlen an. Die neue Partei könnte dann sehr wohl ein Koalitionspartner der Tusk-Partei Bürgerplattform werden, spekuliert das politische Warschau.
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