Der Abgeordnete der oppositionellen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) Antoni Macierewicz ist der Kopf der PiS-Kommission, welche die Ursache des Absturzes der polnischen Präsidentenmaschine vom 10. April 2010 aufklären sollte. Damals kamen neben dem polnischen Präsidentenpaar Lech und Maria Kaczynski weitere 94 Mitglieder der polnischen Elite ums Leben. Nun hat die Mecierewick-Kommission einen Bericht über die Absturzursache veröffentlicht.
Noch immer glaubt jeder vierte Pole an einen Mordanschlag, der am 10. April 2010 zum Absturz der polnischen Präsidentenmaschine bei Smolensk in Westrussland geführt hat. Genährt werden diese Spekulationen immer wieder durch krude Verschwörungstheorien, aber auch durch auf den ersten Blick seriöser daherkommende „Untersuchungen“ seitens der nationalkonservativen Opposition. Besonders die PiS-gesteuerte Untersuchungskommission von Antoni Macierewicz nährt diese Theorien.
Wer aber ist eigentlich Antoni Macierewicz? Der 1948 in Warschau geborenen Historiker ist Mitglied der Sejm-Fraktion der PiS. Er gehört innerhalb der Partei zur Gruppe der Scharfmacher auf dem extrem rechtsnationalen Flügel, für den das Wort liberal ein rotes Tuch ist und das Reich des Bösen genau dort beginnt, wo die PiS aufhört. Von Anfang an gehörte der Ex-Innenminister zu den Hardlinern, die als Absturzursache eine Verschwörung mutmaßten.
Der Bericht mit dem Titel „28 Monate nach Smolensk“ wurde am 10. September auf der Webseite der zur Untersuchungskommission gehörenden Parlamentariergruppe veröffentlich und kann dort als PDF-Dokument in polnischer Sprache heruntergeladen werden. Auf dieser Webseite finden sich ausschließlich Informationen zum Smolensk- Absturz, die sämtlich die Sichtweise der PiS wiedergeben. Da die Artikel der Webseite auch in englischer Sprache vorliegen, lohnt sich ein Besuch der Seite, um das krude Denkschema dieser auch innerhalb der PiS als Hardliner geltenden Parlamentariergruppe kennenzulernen. Es ist eine Gelegenheit, die Gedankenwelt der PiS unmittelbar und ohne die sonst für nicht des Polnischen kundige Leser unumgänglichen Filter von übersetzten Auszügen aus polnischen Zeitungsartikeln auszukommen. Besonders der Artikel „Macierewicz: If it wasn’t an assassination, then what was it?“ spricht Bände.
Zentrale Aussage des169 Seiten umfassenden Berichts „28 Monate nach Smolensk“ ist, dass die wahrscheinlichste der möglichen Absturzursachen mehrere Explosionen gewesen seien. Diese von außen von bisher nicht identifizierten Personen gesteuerten mehreren Explosionen hätten das Flugzeug bereits in der Luft zerstört. Damit bestreitet die Macierewicz-Kommission die Ergebnisse aller bisherigen Untersuchungen, die schlechtes Wetter, das eine Landung eigentlich nicht erlaubt hätte, in Verbindung mit Pilotenfehlern als Ursache der Tragödie sehen. Allen anderen Kommissionen gemäß zum Verhängnis wurde dem viel zu niedrig fliegenden Flugzeug und seinen Insassen die Kollision mit Bäumen in Landebahnnähe.
Genau dies aber schließt der Macierewich-Bericht kategorisch aus und beruft sich damit auf die amerikanischen Wissenschaftler polnischer Herkunft Wieslaw Binenda und Kaziemierz Novaczik. Diese erkannten nämlich als einige mit dem Absturz befassten Experten, dass die Kollision mit den Bäumen nicht zum Abreissen oder zur Zerstörung der Tragfläche hätte führen können, sondern zur Durchtrennung des Baums. Außerdem würden die vom Flugschreiber aufgezeichneten technischen Daten mindestens zwei starke Erschütterungen zeigen. Bekräftigt wird diese Version vom dritten Experten Gregorz Szuladzinski, der in den Verletzungen der Passagiere und den weit verstreuten Flugzeugteilen sowie der Art ihrer Beschädigung und Zeugenaussagen eine Bestätigung der Explosionstheorie.
Zudem trifft der Bericht „Aussagen“, die tatsächlich aber ausschließlich im Bereich der Spekulation liegen. Demnach soll die Tragödie einen Hintergrund haben, und der sei in der Dauerkonfrontation von der regierenden Bürgerplattform PO mit deren Vorsitzendem Ministerpräsident Donald Tusk und dem Präsidenten Lech Kaczynski (PiS) zu sehen. Die Verstrickung von Tusk sieht der Bericht in der Tatsache bestätigt, dass Tusk seinerseits mit einer Delegation Tage zuvor zu einer separaten Katyn-Gedenkfeiern nach Smolensk geflogen war und sich dort mit Putin getroffen habe. Rhetorisch fragt der Bericht, ob diejenigen Politiker, die damals mit Putin kooperierten, wussten, wie das Ganze enden würde.
In dieses Horn stieß bereits der PiS-Vorsitzende und Zwillingsbruder des tödlich verunglückten Präsidenten immer wieder: Russland habe ein Motiv für die Tötung des polnischen Präsidenten gehabt und wies auf Georgien hin, dessen Kriegsanstrengungen im Kampf mit Russland 2008 Kaczynski genauso vehement unterstützte, wie den Aufbau des US-Raketenschildes mit Stationierungen in Polen.
Tatsächlich sah der Hintergrund im April 2010 ganz anders aus. Die Popularität des Präsidenten Kaczynski war im Sinkflug begriffen, es wären nur noch wenige Monate bis zum Ende der Amtszeit gewesen, ein Wahlsieg Kaczynskis im Herbst war damals schon relativ unwahrscheinlich.
Dies und die Tatsache, dass die dem Bericht zugrundeliegenden Ermittlungen nur in eine Richtung gingen und keines Wegs wissenschaftlich korrekt und ergebnisoffen geführt wurden, halten alle Medien des Nicht-PiS-Flügels Macierewicz unisono vor. Viele Experten sehen darin allein eine öffentlichkeitswirksame zweite Kampagne der PiS-Herbstoffensive, die das Regierungslager nicht zu ruhiger Arbeit finden lassen sol.
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