Wie überall, ist auch in Polen die Jahreswende eine Zeit des Rückblicks auf politisch wichtige Ereignisse und Entscheidungen des vergangenen Jahrs. Rückblicke auf 2012, aber auch Ausblicke auf die Entwicklungen im neuen Jahr 2013 bestimmen die Berichte polnischer Medien.
Jahresrückblick – Polens Politik im Jahr 2012
Einen solchen Jahresrückblick findet man im Politimagazin Polityka, das der Regioerung Tusk ein schwieriges Jahr bescheinigte. Es begann kurz nach Neujahr 2012 – das Jahr begann mit der handfesten Affäre um ACTA, das Internet-Anti-Piraterieabkommen. Erst der Druck der Straße verhinderte die schon geplante Ratifizierung des Abkommens durch die polnische Regierung.
Die Rentenreform und besonders die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre erwies sich im Mai als der erwartete Streitpunkt auch innerhalb der Koalition, doch gelang dem kleinen Koalitionspartner, der Bauernpartei PSL, nur die Durchsetzung marginaler Änderungen. Die meisten Privilegien uniformierter Berufsgruppen sind damit abgeschafft.
Was 2012 mit dem Ende der OLT Express ganz unscheinbar als die Pleite einer Fluglinie begann wurde zur „lautesten Affäre“ des Jahres in Polen. Schnell weitete sich der OLT-Konkurs zur Affäre des polnischen Finanzwesens mit dem Schwerpunkt um Scheinbanken wie die AmberGorld und die Verstrickungen von Michal Tusk, dem Sohn des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk.
Zwar leidet der polnische Staatshaushalt noch immer an strukturellen Problemen. Die verfassungsmäßig eingebaute Schuldenbremse liegt bei 55%, jedoch erreichte die Staatsverschuldung 2012 trotz des etwas verlangsamten Wirtschaftswachstums nur eine Quote von 52,4% des Bruttoinlandsproduktes, verkündete Finanzminister Rostowski zum Jahreswechsel froh. Damit fiel die Verschuldungsquote noch günstiger aus als im Vorjahr, indem sie 53,8% betrug. Allerdings beschert diese gute Nachricht nicht etwa eine Strukturverbesserung, sondern der Zlotykurs. Bekam man Ende 2011 für einen Euro 4,4 Zloty, waren es Ende 2012 nur 4,1 Zloty. So verringerte sich die Schuldenlands allein durch die dadurch geringere Bewertung der Auslandsschulden um 4 Milliarden Euro.
Einen letzten Paukenschlag in der polnischen Politik lieferte mit der PSL der Juniorpartner der polnischen Regierungskoalition. Im November verlor Vizepremier und Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak, der „Mister PSL“ die Abstimmung zum Parteivorsitz gegen Janusz Piechocinski und trat von allen Ämtern zurück. Piechocinski zögerte so lange, den Posten des Wirtschaftsministers und Vizepremiers anzunehmen, bis Regierungschef Tusk ein Machtwort sprach.
Im deutsch-polnischen Verhältnis war 2012 „business as usual“ angesagt. Trotz der europäischen Turbulenzen, Dauergipfeln und dem Kampf um die Eurorettung blieb das Verhältnis ungetrübt. Europa hat viele Kontraste auch in den Meinungen der Europäer und ganz gewiss waren die Interessen Polens nicht immer deckungsgleich mit denen Deutschlands. Dennoch hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in Polen ein ausgezeichnetes Standing, keine Spur von den Pfiffen der Griechen, den Hakenkreuzen in Portugal und den martialischen Nazivergleichen in Großbritannien. In Polen wurde Angela Merkel bereits zum dritten Mal nacheinander zur wichtigsten ausländischen Politikerin gewählt, weit vore Obama, Holland oder Cameron. Kurz vor dem Jahreswechsel wurde sie dazu mit 42% der Stimmen zur beliebtesten ausländischen Politikerin gewählt, noch vor Obama mit 37%. Diese „Wahl“ gewann die Bundeskanzlerin nach 2006 und 2007 ebenfalls schon zum dritten Mal.
Auch „Smolensk“, der Absturz der polnischen Präsidentenmaschine vom 10. April 2010 ließ die Polen nicht in Ruhe, Verschwörungstheorien und teils haarsträubende Untersuchungsfehler ließen das Land nicht zur Ruhe kommen. Immer war die Regierung einen Schritt hinter der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit PiS von Jaroslaw Kaczynski zurück und nur im Stande zu reagieren, nicht aber zu agieren. Das soll sich nun ändern versprach Premier Donald Tusk, man wolle das Thema nicht mehr der PiS überlassen. Eine Expertenkommission soll gebildet werden, die nicht nur unsinnige Medienbehauptungen rasch widerlegen, wie jüngst die der konservativen Tageszeitung, die im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz leichtfertig von Sprengstofffunden geschrieben hatten. Künftig soll die Auseinandersetzung mit Medien und der PiS nicht mehr gemieden werden, sondern von Experten geführt werden. Das wird die Meinung der Anhänger der Verschwörungstheorie zwar kaum ändern, aber die Propagandawirkung dürfte geschmälert werden, heißt es in der liberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza.
Quo vadis? Ausblick auf Polens Politik 2013
Geht es nach Premier Donald Tusk, wird 2013 in Polen zum Jahr der Familie. Nach der Durchsetzung und gesetzlichen Verankerung der In-Vitro–Befruchtung 2012 sollen weitere Erleichterungen die Familien in Polen entlasten. Eine davon wird die Erweiterung des Mutterschaftsurlaubs auf bis zu einem Jahr im September 2013 sein.
Auch auf dem Gebiet der polnischen Wirtschaft soll sich etwas tun, kündigte der neue Wirtschaftsminister Janusz Piechocinski an, Reformen sollen die Konkurrenzfähigkeit der polnischen Wirtschaft erhöhen. So soll vor allem das Vorgehen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge reformiert werden, was in den vergangenen Jahren immer wieder in Sackgassen führte. Da die Vergabe auch größter Aufträge wie beim polnischen Autobahnbau generell an den günstigsten Preis gebunden war und die Qualität des Angebots nicht berücksichtigt wurde, wurden solche Projekte immer wieder zur unendlichen Geschichte.
Auch die nationalkonservative Oppositionspartei PiS hat ihre nächsten Vorhaben bereits angekündigt: Im Februar wird die Partei dem Parlament Sejm ein erneutes Misstrauensvotum gegen die Regierung Tusk vorlegen. Parteivorsitzender Jaroslaw Kaczynski hatte das ursprünglich bereits für den November 2012 angekündigt. Damals hatte er siegessicher bereits ein „Schattenkabinett“ unter Führung des parteilosen Piotr Glinski vorgestellt, das aus Technokraten und Experten besteht. Diesem Misstrauensvotum soll nach Vorstellung der PiS eine Abstimmung Gesundheitsminister Bartosz Arlukowicz zu Fall bringen.
Es wird also weitergehen wie gehabt mit dem Störfeuer von Seiten der PiS, diesem Strategiemix aus Misstrauensvoten und Smolensk-Vorwürfen, die zuweilen Ministerpräsident Tusk und sein Kabinett kaum zum Regieren kommen lässt. Dabei kann man medienwirksam gleichzeitig der Regierung vorhalten, was sie im Laufe ihrer Regierungszeit so alles versäumt hat.
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